Mittwoch, 12. April 2017

The Flying Journalist - Fünf Fragen an Christa Roth

Von Magdalena Köster

 Der Journalistinnenbund feiert sein 30jähriges Jubiläum, vom 30. Juni bis 2. Juli 2017 am Gründungsort Frankfurt. Bis dahin stellt der Watch-Salon mit der Interviewserie "Fünf Fragen" in lockerer Folge ganz unterschiedliche Kolleginnen des jb vor, um die Vielfalt unseres Bündnisses und der jeweiligen journalistischen Arbeit zu eigen. 
   
Christa Roth, freie Journalistin in drei Städten  / Foto: privat


Im Gespräch mit Christa Roth hat mich interessiert, wie es inzwischen so an den Journalistenschulen zugeht. Und siehe da, den Absolvent*innen werden heute zwar seltener feste Arbeitsplätze angeboten als uns vor etlichen Jahren, aber die Freude an der ungeheuer guten Ausbildung ist die gleiche geblieben. Ein bisschen konnte ich der jungen Kollegin auch bei ihrer Hingabe für Israel folgen. Immerhin habe ich mal einen Sommer lang Oliven im Kibbuz geerntet und ein paar Monate im Nachbarland Jordanien gelebt.


Von Siebenbürgen ins Ländle, nach Berlin, Hamburg und Tel Aviv. Ganz schön viel passiert in 30 Jahren. Erzähl mal.


Ich bin in Rumänien geboren, meine Eltern kamen nach dem Mauerfall als Spätaussiedler nach Baden-Württemberg. Wir haben zu Hause einen altdeutschen Dialekt gesprochen, daher war für mich als kleines Kind überall Deutschland. Nur in der Schule gab es Irritationen, weil ich dort Hochdeutsch sprach und nicht Schwäbisch. Nach dem Abitur zog es mich plötzlich nicht mehr an die Sorbonne, wo ich einen Studienplatz hatte, sondern ins dynamische Berlin, um an der FU Politik zu studieren. Neben dem wissenschaftlichen Arbeiten wollte ich aber unbedingt journalistisch aktiv sein und habe zusammen mit zwei Mitstreitern ein campusweites Uni-Magazin gegründet. Danach stand für mich fest, ich will in den Journalismus! Zum Glück bekam ich einen Platz an der Hamburger Henri-Nannen-Schule und damit eine wirklich hervorragende Ausbildung.

Früher endete die Ausbildung an einer der Journalistenschulen fast immer mit einem festen Stellenangebot. Die Zeiten sind vorbei, oder?


Ja, unser 20-köpfiger Lehrgang war nicht mehr in einer solch lukrativen Position wie ihr. Es gab schon die Medienkrise, aber wir blieben trotzdem optimistisch. Und viele von uns wollten sowieso frei arbeiten. Also haben wir zusammen die Journalistengemeinschaft Kill Your Darlings gegründet, um gemeinsam Themen anzubieten oder auf Kollegen zu verweisen, die ein bestimmtes Feld beackern oder im Bereich Video, Foto oder Film unterwegs sind. Wir haben aber auch über die Nannen-Schule Zugriff auf ein großes Netzwerk und bekommen darüber öfter Aufträge, was besonders anfangs wichtig war.

Ein Praktikum hast du bei dpa in Tel Aviv gemacht und bist gleich mal dort geblieben. Israel spielt in deinen Texten eine große Rolle. Wie kommt's?


Ich hatte in der Schule einen Hebräisch-Kurs besucht und kam erstmals 2009 für zwei Praktika bei politischen Stiftungen nach Israel. Für meine Diplomarbeit, die israelische Soldaten thematisiert,  flog ich 2011 wieder hin und lernte schließlich meinen damaligen Freund kennen, zu dem ich dann später zog. Es war aber gar nicht so einfach, von dort zu berichten. Das Land ist überflutet mit Journalisten, weil Israel immer im Fokus steht. Man muss genau überlegen, wie kann ich eine Geschichte neu aufbereiten, eine andere Perspektive finden? Zu meiner großen Freude lernte ich 2013 einen Geigenbauer kennen, der – auch persönlich – eine wichtige Kontaktperson für mich geworden ist. Aus seiner Geschichte ist sogar ein Buch entstanden.

Was die politische Situation in Israel betrifft, bin ich extrem zerrissen, wie viele Menschen. Ich habe palästinensische Freunde und weiß um deren Lebensrealität, aber verankert bin ich auf der jüdischen Seite.

Christa Roth


Freie Journalistin für Magazine, Buchverlage und Online-Medien

Branche: Print, Online
Beruf: Journalistin und
Dipl. Politikwissenschaftlerin
Standort: Berlin, Stuttgart, Tel Aviv
jb-Engagement: Mitglied in der Regionalgruppe Berlin

Apropos Politik. Wie politisch seid ihr Jüngeren, vor allem Ihr Journalistinnen und Journalisten?


Meine Generation hat erkannt, dass es nicht gut geht, wenn wir uns nicht einmischen. Wir müssen dranbleiben, in den Schaltzentralen der Macht ankommen. Der Essay "Empört euch" von Stéphane Hessel war in dieser Hinsicht wegweisend.

Meine Kollegen aus der Henri-Nannen-Schule sind ebenfalls sehr politisch. Viele von uns berichten über gesellschaftspolitische, kritische Themen, etwa im Rahmen des investigativen Rechercheverbunds von NDR, WDR und SZ. Einer von uns hat sogar einen minderjährigen afghanischen Flüchtling adoptiert. Viele arbeiten wie ich ehrenamtlich für Geflüchtete oder zeigen Solidarität für Deniz Yücel. Bei unserem jährlichen gemeinsamen Wochenende ist Politik immer Thema. Uns beschäftigt auch, dass wir Fake News und Lügenpresse genannt werden, und wie man die Arbeit von Correctiv oder den Krautreportern unterstützen kann.

Du hast dir zuletzt eine kurze Auszeit genommen, um Dir Dein Arbeitsmodell noch mal anzuschauen. Was störte dich daran und wo soll es in der nächsten Zeit hingehen?


Dem Trend, sich als Journalist immer und überall selbst zu vermarkten, kann ich nicht viel abgewinnen. Insbesondere online sollen immer öfter unter den Beiträgen nicht nur der eigene Name, sondern auch ein Foto und persönliche Infos stehen. Dabei würde ich lieber meine Beiträge für mich sprechen lassen. Soziale Medien nutze ich auch deshalb nur privat und zu Recherchezwecken.

Über persönliche Kontakte war ich arbeitstechnisch bislang gut bedient. Ich habe seit meinem Berufsstart im Grunde nur auf Auftrag gearbeitet. Jetzt will ich mich wieder öfter eigenen Herzensthemen widmen und sie verschiedenen Redaktionen anbieten. Dafür bin ich nicht nur zwischen meinen Hotspots Berlin, Stuttgart und Tel Aviv unterwegs. Letztes Jahr war ich im kurdischen Teil des Iraks und konnte das Material noch gar nicht verwerten. Momentan sitze ich über der Geschichte eines körperlich behinderten Rappers. Dank der redaktionellen Arbeit für das Debattenportal sagwas, wo ich überwiegend junge Autoren schule, Texte zu bestimmten Themen zu verfassen, kann ich diese Arbeitsweise ganz gut querfinanzieren.


Schön, dich im jb dabei zu haben, Christa!

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In dieser Serie erschien bereits:

Die vielgereiste Dozentin - Fünf Fragen an Cornelia Gerlach
Die flexible Vermittlerin - Fünf Fragen an Jasmin Lakatos
Die vielseitige Freie - Tina Srowig
Die forschende Blattmacherin - Fünf Fragen an Barbara Nazarewska
Die schreibende Psychologin - Fünf Fragen an Nele Langosch
Die Neue im Team - Fünf Fragen an Eva Hehemann
Die Gründerinnen des Medienlabors - Fünf Fragen an Helga Kirchner und Sibylle Plogstedt

Weitere interessante Kolleginnen im Journalistinnenbund finden sich in der Expertinnendatenbank.

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