Freitag, 22. August 2014

„Auch Feministinnen stecken im Patriarchat fest“

von Judith Rauch

Journalistik-Professorin Friederike Herrmann. Foto: Christian Klenk

Friederike Herrmann ist Professorin für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Zusammen mit vier Kolleginnen und einem Kollegen aus der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) veranstaltet sie 2015 eine Tagung zu „Medien – Sprache – Geschlecht“ (19.-21. Februar in Eichstätt). Das könnte brisant werden - bei Themen wie Maskulinismus im Internet und unbewussten Stereotypen von Männern und Frauen. Judith Rauch befragte die Wissenschaftlerin für den Watch-Salon.


Gab es einen besonderen Anlass für eine Tagung zu diesem Thema?

In der DGPuK gibt es eine Fachgruppe zu „Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht“ und eine zu „Mediensprache – Mediendiskurse“. Beide Gruppen kooperieren gern und tauschen sich aus. Wir meinen, es sollte an der Schnittstelle, an der es um Mediensprache und Gender geht, noch mehr passieren. An diesem Punkt wird bei uns in der Journalistik, die traditionell eher sozialwissenschaftlich geprägt ist, noch zu wenig geforscht. Wir knüpfen an die Linguistik an, dort forschen vor allem Frauen zur Sprache und Gender.

In Deutschland begann die feministische Linguistik mit Luise Pusch und Senta Trömel-Plötz, die in den späten 1970er und den 1980er-Jahren Sprachkritik betrieben. Wie bekannt sind diese Pionierinnen noch?

Es gibt inzwischen aktuelle Weiterentwicklungen, die wir bei der Tagung aufgreifen wollen. Sie sind allerdings nie so breit bekannt geworden wie diese älteren Arbeiten. Es hat mich überrascht, dass die jüngeren Mitglieder von sich aus vorgeschlagen haben, man solle diese Pionierinnen zur Tagung einladen. Oder zumindest aufarbeiten, was seit jener Zeit passiert ist. Also, bei Frauen, die im Bereich Gender forschen, sind sie durchaus noch bekannt! Wir müssen aber weiter gehen, als man damals gedacht hat.

Was sind die aktuellen Themen, die die Sprachkritik aufgreift?

In erster Linie geht es darum herauszufinden, wie Geschlecht, also nicht nur Weiblichkeit, sondern auch Männlichkeit, durch Sprache konstruiert wird, etwa mit der Methode der Diskursanalyse. Aktuell ist auch eine sehr interessante Arbeit zum Thema „Stereotype“ erschienen, von Martina Thiele in Salzburg. Darin geht es neben Gender-Stereotypen auch um andere Zuschreibungen, etwa gegenüber Migrantinnen und Migranten. Genderforschung findet heute nicht mehr in der Nische statt, sondern wird etwa im Zusammenhang mit Diversity diskutiert. Ein Punkt, der mir außerdem wichtig ist: „Genderkorrekte“ Schreibweisen reichen nicht aus, sie drohen zu einer Art feministischem Ablasshandel zu werden. Auch ein alter Patriarch spricht traditionell ganz korrekt von „Damen und Herren“, ohne dass sich seine Denkweise verändert hat. Darum ist es wichtig, in Texten zwischen den Zeilen zu lesen und die unbewussten Anteile der Kommunikation zu erkennen. Die zeigen sich etwa in Szenen, die man aus Texten herauslesen kann.

Kannst du dazu ein Beispiel nennen?

Mir ist ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung aufgefallen [nicht online, JR]. Darin geht es um das Dreieck Hillary Clinton – Bill Clinton – Monica Lewinsky. Und ich glaube, dass der Autor unbeabsichtigt eine Darstellung gewählt hat, die Hillary fast als Täterin darstellt, Lewinsky als Opfer, und Bill verschwindet aus dem Bild.  Liest man den Text als Szene, sieht man einen Zickenkrieg vor sich, in dem die mächtige Hillary die arme Lewinsky in die Ecke drängt. Tatsächlich könnten solche Inszenierungen große Auswirkungen im amerikanischen Wahlkampf haben.

Ihr habt euch für die Tagung auch das Thema Maskulinismus im Internet vorgenommen?

Kommunikationspraktiken im Internet sind auf jeden Fall sehr wichtig und ein aktuelles Forschungsthema. Eine Wissenschaftlerin, Elisabeth Klaus, hat vorgeschlagen, sich die antifeministische Männerbewegung näher anzuschauen, die Opfer-Täter-Verhältnisse gerne umkehren möchte, also Männer als Opfer der Frauen inszeniert, um alte Verhältnisse wieder herzustellen. Die Frage lautet: Wie machen die das? Wie wird Sprache für diese Strategien genutzt?

Was kann man in der Praxis tun? Helfen Gendertrainings, wie sie auch der Journalistinnenbund Medienschaffenden anbietet?

Ja, aber man kann noch mehr tun. Ich finde es wichtig, in Seminaren den Blick auf sprachliche Feinheiten zu richten. Dafür braucht es den Raum und die Zeit, die die Universität bietet. Und es geht auch darum, sich eigene Einstellungen und Ambivalenzen bewusst zu machen. Auch Feministinnen sind unbewusst vom Patriarchat geprägt, stecken darin fest und reproduzieren es über Sprache und Szenen.

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