Dienstag, 24. Juni 2008

Eine kleine Polemik zum Halbfinale

Weibliche Fans - sie machen den Fußball schöner. FOTO: FLICKR

VON ISABEL ROHNER

Morgen abend um diese Zeit sind die Fernseher wieder eingeschaltet.
Nicht nur zu Hause, im Stillen, im Geborgenen. Vor allem draußen, in den "Public-Viewings" und den Kneipen.
Das Sommermärchen hat nach anfänglichen Schwierigkeiten doch noch die Kurve gekriegt und ist in vollem Gange. Die deutsche Elf steht im Halbfinale der Europameisterschaft - und darum let´s party, let´s Jubel Trubel Heiterkeit!
Vorbei die Zeiten, als die Herren der Schöpfung ihre Vertreter auf dem Rasen mit einem Bier und ihm Trainingsanzug von der heimeligen Couch aus anfeuern durften. Heute jubelt man gemeinsam. Heute leidet man gemeinsam. Aber vor allem: heute geschieht dies öffentlich. Fußball-Schauen ist hip, ist trend. Und da ist ein alter Trainingsanzug über der Speckrolle irgendwie fehl am Platz.

Überhaupt hat sich die Klientel verändert. Vor allem unter jungen Frauen ist Fußball in. Die Zahl der weiblichen Fans wächst stetig. Bald werden sie die Jungs überholt haben. Das freut nun auch - ja, es mag auch die Jungs freuen - aber besonders freut das auch die Polizei: Nach dem Spiel der Österreicher in Wien sagte der dortige Einsatzleiter im Interview mit der ARD, dass es im Fußball in den letzten Monaten allgemein seltener zu Ausschreitungen gekommen sei. "Daran haben die weiblichen Fans ihren Anteil", sagte er. "Fußball ist friedlicher geworden." Und dann lächelte er in die Kamera.
Vorbei die Zeiten, als es noch so etwas wie ein "Abseitsregel"-Privileg gab. Heute wissen die Frauen längst Bescheid. Vorbei die Zeiten, als Fußball noch Männersache war.
Schon zu Beginn der EM wurde in einer europaweiten Umfrage der "schönste Mann der EM" gekürt (Cristiano Ronaldo vor Thierry Henry und Fabio Cannavaro). Wenn sich die Spieler am Ende eines Matchs die Trikots vom Leibe reißen, halten die Kameras noch ein paar Sekunden länger drauf. Für die Einschaltquote.
Mal ganz abgesehen davon, dass Fußball auch bei den Spielerinnen boomt - noch nie gab es so viele neue Frauenteams. Noch nie war Frauen-Fußball medial so erfolgreich. Noch nie wollten so viele kleine Mädchen Weltmeisterinnen werden.
Haben wir es also mit einer Feminisierung des Fußball zu tun?
Ist das der Anfang vom Ende? Denn die "Feminisierung" eines Berufs (ein Beitrag dazu weiter unten) führt nicht nur zum Verlust von Ansehen und Einfluss (siehe LehrerInnen! JournalistInnen! KanzlerInnen!) - nein, auch zu Lohndumping. Gerade im Fußball wäre das vielleicht ganz interessant...
Die Zukunft liegt klar vor uns: Die Jahressaläre der Herren Spieler werden, wenn es so weiter geht mit den weiblichen Fans, in den Keller rasseln (diejenigen der Spielerinnen sind schon dort, sie hätten also Gesellschaft). Statt 18.000.000 gibts für David Beckham nur noch 180.000 im Jahr - reicht ja auch. Statt für 20.000.000 wechselt Cristiano Ronaldo für 20.000 zu Madrid. Abramowitch zieht sein Geld aus Chelsea und der russischen Nationalmannschaft und kämpft stattdessen gegen Prostitution und Frauenhandel.
Auch das Fernsehen würde nur gewinnen: Die Übertragungsrechte wären plötzlich wahre Schnäppchen. Endlich keine Soaps mehr, für deren Billigkeit sich die Verantwortlichen mit dem Argument aus der Affäre ziehen, sie könnten schließlich die Gebühren nicht schon wieder erhöhen.
Überhaupt: Was könnte man alles machen mit den vielen schönen Millionen! Plötzlich wäre massenhaft Geld da für Kultur und Theater, für Bildung und Forschung, für Sozialprojekte und den Rentenausgleich. Morgen abend um diese Zeit sind die Fernseher wieder eingeschaltet. Es ist zu hoffen, dass viele Frauen dabei sind.

Frauen verderben den Journalismus?


Darf es ein bisschen weniger sein? Der Frauenanteil in einer Branche gilt als Indikator für deren Prestige und Verdienstmöglichkeiten. Gut, billig und weiblich werden die Journalistinnen der Zukunft sein. FOTO: FLICKR
Der Journalismus wird feminisiert. Jetzt die schlechte Nachricht: Sozialwissenschaftlich bedeutet eine "Verweiblichung" einer Berufssparte: Dieser Beruf ist auf dem absteigenden Ast. Dies meint, dass bei Berufen, die im Niedergang begriffen sind, die Männer bei der Berufswahl auf attraktivere Positionen ausweichen und Frauen nun in die freigewordenen Positionen des gesellschaftlich absteigenden Berufszweiges nachrücken.
Funktionswandel und Einkommensrückgang
Im Journalismus beträgt der Frauenanteil in Deutschland derzeit 37 Prozent, in Österreich gar 42 Prozent. Über 70 Prozent der befragten JournalistInnen gehen davon aus, dass der Anteil der Frauen im Journalismus stark ansteigen wird. Und sie sehen einen deutlichen Funktionswandel: Die Aufgabe der Journalisten, Kritik und Kontrolle zu üben, verliert an Bedeutung. Wichtiger wird es, eine Rundum-Orientierung sowie Lebenshilfe und Nutzwert zu geben. Dieser Funktionswandel des Journalismus kann als eine der Ursachen für den Niedergang der "bedrohten Profession" wie es in der Studie heißt, angesehen werden. Dieser Wandel wiederum lässt sich an massiven aktuellen Tendenzen der Deprofessionalisierung und Deklassierung des Journalismus fest machen: Verlage verlassen die Tarifgebundenheit, ganze Redaktionsteile werden ausgegliedert und zu externe Dienstleister verlagert, Redakteure in Tochtergesellschaften ohne Tarifbindung verschoben. Mehr dazu gibt es hier.

Montag, 23. Juni 2008

Abschreiben nimmt zu

Jaja, das liebe Internet. Es ist eine Herausforderung - für die journalistische Qualität. Die muss wieder steigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Landesanstalt für Medien NRW (LfM). Mit der breit angelegten Untersuchung wird erstmals großflächig das Thema Online-Recherche in deutschen Zeitungs-, Fernseh-, Hörfunk- und Internetredaktionen unter die Lupe genommen.

Marcel Machill, Professor an der Universität Leipzig, der die Studie "Journalistische Recherche im Internet" im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) geleitet hat, beobachtet in diesem Zusammenhang eine gesteigerte "Selbstreferentialität im Journalismus": "Computergestützte Recherche macht es den Medienschaffenden noch einfacher, schnell nachzuschauen, was die Kollegen zu einem aktuellen Thema erarbeitet haben."
Demnach ist das Telefon zwar nach wie vor das wichtigste Rechercheinstrument der JournalistInnen. Doch gerade bei der Ermittlung von Zusatzquellen kommen die Suchmaschinen im Internet zum Einsatz. Und hier dominiert auch bei den Medienschaffenden eindeutig Google den Markt. Und das hat nicht nur Vorteile. Wer bei Google als Experte oder Expertin unter den ersten zehn Treffern gelistet ist - und das kann via Suchmaschinenoptimierung schnell passieren - hat die besten Chancen in die Medien zu kommen. Was also tun? Die LfM-Studie empfiehlt, das Berufsbild des Dokumentationsjournalisten zu fördern. Im anglo-amerikanischen Bereich sind die so genannten "fact-checkers" in vielen Redaktionen Standard. Und natürlich müssen bei der journalistischen Aus- und Fortbildung Recherchekompetenz verstärkt in den Fokus gerückt werden.

Die Studie zum Download als pdf gibt es hier:

Marcel Machill, Markus Beiler, Martin Zenker: Journalistische Recherche im Internet. Bestandsaufnahme journalistischer Arbeitsweisen in Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen und OnlineBerlin: Vistas 2008, Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, Band 60, 406 Seiten. ISBN 978-3-89158-480-4. 23,- Euro

Ein ganzheitlicher Blick auf Hedwig Dohm

von Marlies Hesse

OTFW, Berlin, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons



Wer war eigentlich Hedwig Dohm? Vielen ist sie nur als die "Großmutter von Katia Mann" bekannt. Dabei war Hedwig Dohm Feministin, Journalistin und Schriftstellerin. Heute ist sie die Leitfigur des Journalistinnenbundes. Gerade hat unsere Autorin Isabel Rohner (Jahrgang 1979) ihre Dissertation über Hedwig Dohm im Trafo-Verlag veröffentlicht. Ein Lesetipp:

Als politische Essayistin und Polemikerin ist Hedwig Dohm noch heute bekannt. Ihr literarisches Werk hingegen wurde lange Zeit unterschätzt und diente hauptsächlich der Rekonstruktion ihrer Biografie. Warum das so ist, was bei einer solchen Lesart verloren geht und warum Dohms Protagonistinnen kein Spiegel ihrer Selbst sind, zeigt Isabel Rohner in ihrer lesenswerten Dissertation In litteris veritas. Hedwig Dohm und die Problematik der fiktiven Biografie“.

Isabel Rohner: In litteris veritas. Hedwig Dohm und die Problematik der fiktiven Biografie. Berlin: Trafo Verlag 2008. 329 Seiten. 39,80 Euro.

Donnerstag, 19. Juni 2008

Mit Maus und Mäusen fit für die Online-Zukunft - Jahrestagung des JB

Zugegeben, ein wenig gegensätzlich sind die Themen Online-Zukunft und Porzellan schon. Für die 50 Journalistinnen, die vom 31. Mai bis 1. Juni an der 21. Jahrestagung des Journalistinnenbundes (JB) teilnahmen, hätte das Porzellanikon in Selb, Europas größtes Spezialmuseum für Porzellan, aber kaum ein stilvollerer Ort sein können, sich mit den neuen Medien und ihre Wirkung auf den Journalismus zu beschäftigen. Motto der Tagung lautet: „Maus und Mäuse“ – fit für die Online-Zukunft werden. Inmitten von kostbaren Porzellan, an einem Ort, an dem Zukunft, Gegenwart und Moderne aufeinander treffen, setzen sich die Medienfrauen vor allem mit der Ausdifferenzierung des Berufsfeldes auseinander.

Der JB-Blog ist eingerichtet

Jetzt ist er da - der Blog des Journalistinnenbundes. Wir beobachten die Medien - aus der etwas anderen Perspektive.