Dienstag, 28. Oktober 2014

Bundesverdienstkreuz für Alexandra Goy



Rechtsanwältin Alexandra Goy
Rechtsanwältin Alexandra Goy      / Foto: C. Olderdissen

Sie ist eine Feministin der ersten Stunde. Eine Feministin, die von Bundespräsident Gauck für ihr Engagement ausgezeichnet wird. Alexandra Goy, Rechtsanwältin aus Berlin, erhält das Bundesverdienstkreuz. Eine Anerkennung für diese streitbare Frau, die früh das Politische des Rechts erkannt hat. Auch jetzt noch, mit 70 Jahren, kämpft sie dafür, das Recht für die Sache der Frauen nutzbar zu machen.


"Wir haben es verdient", sagt Alexandra Goy, "was haben wir uns abgerackert." Das "wir" ist die autonome Frauenbewegung im alten West-Berlin, ihre politische Heimat. So nimmt sie das Bundesverdienstkreuz auch für ihre Wegbegleiterinnen entgegen. Für jene Frauen, die weniger bekannt sind, aber nicht weniger wichtig waren. Mit denen sie endlos diskutieren konnte und die sie gestützt haben, in den Kämpfen, die es auszufechten galt.

In den Siebzigern und frühen Achtzigern „war ich ein bunter Hund“, erzählt sie und lacht. Die kleine Frau mit der wilden schwarzen Mähne war in Juristenkreisen so bekannt wie in der Frauenbewegung. „Ich war eine, die den Mund aufgemacht hat.“ Sie begehrte gegen die verkrustete Denke der Juristen auf, gegen eine Justiz, die sich als langer Arm des Patriarchats gerierte. Ihre Bühne war der Gerichtssaal, nicht die Talkshow. Ihr freches Mundwerk hat sie rund 18.000 DM gekostet, wie sie mal zusammenzählte. Zahllose Ehrengerichtsverfahren musste sie durchstehen, sich wegen des Vorwurfs der Beleidigung verantworten. Es hat sie nicht zum Schweigen gebracht. „Die anderen haben nur irgendwann aufgehört, mich deswegen vor Gericht zu zerren“.

Alexandra Goy hat als 68erin den großen Umschwung Richtung Frauenthemen mitgemacht. Die Frauen der Studentenbewegung nahmen die Losung wörtlich: „Das Private ist politisch“. Erst flogen die legendären Tomaten auf die männlichen Studentenführer, dann wuchs in ihr das Bedürfnis, sich für die Rechte von Frauen zu engagieren. 1977 stieg sie aus dem Anwaltskollektiv aus und gründete in Kreuzberg mit Ingrid Lohstöter das erste feministische Rechtsanwältinnenbüro.

Für die Rechte der Frau


Einer der wichtigsten Kämpfe war, vergewaltigten Frauen bei Gericht eine Stimme zu geben. Die Anwältinnen entdeckten die von der Rechtspflege vergessene Möglichkeit auf Nebenklage neu: In Begleitung ihrer Rechtsanwältin kann die geschädigte  Frau im Gerichtssaal bleiben, während dem Vergewaltiger der Prozess gemacht wird. Sie hat ein Fragerecht und kann Beweisanträge stellen. Ist sie nur Zeugin, muss sie nach ihrer Aussage gehen. „Das hat den Richtern nicht gepasst“, erzählt die engagierte Anwältin. „Da war eine Person mehr im Gerichtssaal. Die störte, wenn sie den Mund aufmachte.“    

Trotzdem kam es zu skandalösen Freisprüchen. Die Regelung im Strafgesetzbuch ließ sich viel zu oft zugunsten des Vergewaltigers auslegen. Als die Reform des § 177 Strafgesetzbuch anstand, stritt Alexandra Goy auf politischer Ebene darum, in das Gesetz die Formulierung „gegen den Willen“ aufzunehmen. Eine juristische Feinheit mit weitreichenden Konsequenzen. Sie konnte sich nicht durchsetzen. Mit der Istanbul-Konvention des Europarates, die Opfer von sexueller Gewalt besser schützen will, kommt nun das Signal, dass es „gegen des Willen“ heißen muss. In allen europäischen Ländern. Das, was Alexandra Goy immer schon gefordert hat. "Und wieder geht es nicht voran": Das Justizministerium sieht keinen Bedarf, den § 177 zu ändern.

Mittlerweile ist es stiller um sie geworden. Die frühere Strafverteidigerin hat sich auf Familienrecht spezialisiert, ist vor Jahren in eine eigene Kanzlei gewechselt und wurde Notarin. Das geliebte Amt, das sie standesgemäß wegen des Alters gerade abgeben musste. Als Rechtsanwältin wird sie weiterarbeiten: „Ich bin so berufsidentifiziert“. Und dann ist da noch die Liebe zur Kunst. Zusammen mit Künstlerinnen hat sie 1986 das Verborgene Museum gegründet. Der Verein hat bedeutende Schätze von vergessenen Malerinnen und Fotografinnen neu entdeckt.

Verleihung des Bundesverdienstkreuzes


„Auch dieses Kreuz werde ich tragen.“ Alexandra Goy lacht über die Doppeldeutigkeit ihrer Worte. Was hat sie nicht alles ausgehalten, im Kampf für die Rechte der Frauen. „Als Feministin wirst Du so was von fertiggemacht.“ Mit Stolz und Freude beobachtet sie, dass mit Anne Wizorek und der Aktion #aufschrei eine neue Generation von Feministinnen angetreten ist. Junge Frauen, die sich wieder zu dem verpönten F-Wort bekennen.

In den Räumen des Verborgenen Museums erhält Alexandra Goy am heutigen Dienstag aus den Händen von Berlins Frauensenatorin Dilek Kolat das Bundesverdienstkreuz. Der Watch-Salon gratuliert.

Leseempfehlungen:
"Ehrung für Alexandra Goy", Feministische Rechtzeitschrift "Streit", Ausgabe 3/14.
"Wie weit flog die Tomate? Eine 68igerinnen-Gala der Reflexion" herausgeben von der Heinrich-Boell-Stiftung und dem Feministischem Institut. Mit einer Einleitung von Halina Bendkowski.
"Weil ein Aufschrei nicht reicht", Anne Wizorek, S. Fischer Verlag.

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