Freitag, 1. November 2013

Medienlabor: Der weibliche Blick der Kriegsreporterin

Die Gäste des Medienlabors kurz vor ihrem Auftritt
Kurz vorm Auftritt im Medienlabor: Birgit Virnich (3. von links), verdeckt: Jenny Schenk, dann: Esther Saoub, Susanne Fischer, Carolin Emcke, Moderatorin Helga Kirchner sowie Ursula Meissner. Foto: Meike Engels



Afghanistan, Irak, Liberia – wo Gewalt Leid erzeugt, sind sie an Ort und Stelle, um in Wort und Bild festzuhalten, was Menschen Menschen antun: Der Journalistinnenbund hatte sechs Kriegsberichterstatterinnen zum Medienlabor in Berlin eingeladen. Aus gutem Grund, wie ARD-Korrespondentin Birgit Virnich sagte: „Die Kriege nehmen zu, und wir Reporterinnen und Reporter werden dem immer mehr ausgesetzt."

Kriegsreporterin – was für eine Frau mag das sein? Draufgängerisch und kaltblütig? Piratenbraut oder Revolverheldin? Nichts von alledem. Diese sechs Frauen sind wunderbar in sich ruhende Persönlichkeiten, weit davon entfernt, mit Kriegsabenteuern zu prahlen. Sie lassen das Publikum teilhaben an ihrer Erschütterung über das Leid der Menschen, denen sie in Krisenregionen begegnen. „Kommen Sie, berichten Sie über uns, schreiben Sie“, hört die Publizistin Carolin Emcke immer wieder, wenn sie unterwegs ist. Die Überlebenden von kriegerischen Auseinandersetzungen geben den Reporterinnen einen Auftrag mit: Die Welt soll erfahren, was in oftmals vergessenen Kriegen passiert. „Ich habe das Gefühl, ich tue das Richtige“, beschreibt Radiojournalistin Esther Saoub ihre Arbeit, die sie oft in den Gazastreifen geführt hat.

Der weibliche Blick

Machen es Frauen anders? Die Frage wabert durch das Medienlabor ohne eindeutige Antwort. Journalistinnen sind sicher weniger geneigt, über kriegerische Handlungen zu berichten, als ob es um ein Fußballspiel ginge: mit seinen Siegern und Verlierern, gespickt mit Zahlen über Treffer und Niederlagen. Sie empfinden auch weniger den Kick des Dabeiseins. Aber, „ich muss da immer wieder hin“, sagt Susanne Fischer, die im Irak einheimische Journalistinnen und Journalisten ausgebildet hat.

Wohl wissend, dass sie sich großer Gefahr aussetzen, streifen die Reporterinnen ihre kugelsicheren Westen über und sind dennoch umsichtig. „Familie zu haben, gibt mir ein besonderes Verantwortungsgefühl“, betonen die beiden Mütter auf dem Podium. Wer riskiert schon gern sein Leben für den Job? Frauen sicher weniger als Männer.

Am Kriegsschauplatz

Aber auch sie müssen mitten hinein ins Geschehen. Gerade die beiden Fernsehfrauen haben ihren heimischen Redaktionen, wie auch Tagesschau und Tagesthemen, aktuelle Bilder zu liefern. „Diese rohe Emotion ist einzigartig. Und zugegeben, auch aufregend.“ Wenn Birgit Virnich mit der Kamerafrau Jenny Schenk loszieht, bilden sie und der Tonmann eine verschworene Einheit, das ist bei reinen Männerteams kaum anders. Nur, betonen die beiden: „Jede denkt für die andere mit“.

Die Fotografin Ursula Meissner ist häufig allein unterwegs. „Embedded“ zu arbeiten lehnt sie ab, Kampfhandlungen interessieren sie nicht. „Mein Fokus ist bei den Frauen und Kindern.“ Bei allem Graus versucht sie auch die schönen Momente abzubilden, wie das berühmt gewordene Bild des Cellospielers inmitten der Trümmer von Sarajevo. Vielleicht ist dies die weibliche Seite der Krisenberichterstattung, Geschichten vom Überleben erzählen zu wollen. Denn so wie Frauen immer schon inmitten von Kriegen Inseln der Erholung schaffen, so sind es auch Frauen, die darüber berichten.

Esther Saoub, die in ihrer Zeit als Leiterin des ARD-Hörfunkstudios mit ihrer Familie in Kairo gelebt hat, erzählt, dass sie als Mutter immer gut in Kontakt mit Frauen kommt: Die Kinder sind der Anknüpfungspunkt. Wo immer auch die Reporterinnen unterwegs sind, sie werden als Frauen wahrgenommen – und häufig unterschätzt, wie bei der Begegnung mit Militärs. Machomänner begegnen ihnen mit Galanterie, trauen den manchmal blonden, oft körperlich kleineren Frauen nicht so richtig was zu und sind dann doch überrascht, dass Reporterinnen wie Birgit Virnich knallharte Fragen
stellen.

... und danach?

Die WDR-Redakteurin ist es auch, die offen ein Tabu unter Journalisten anspricht, die Traumatisierung durch hautnah miterlebte dramatische Ereignisse. Sie können krank machen. In London, erzählt Birgit Virnich, gibt es den Frontlineclub, da treffen sich Kollegen und Kolleginnen nach ihrem Einsatz zum Gedankenaustausch, das fehlt bei uns. Sie selbst hat bisher alles gut weggesteckt. „Es ist so wichtig, was ich tue. Sonst wäre ich daran schon zerbrochen.“ Auch den anderen ist das Lachen nicht vergangen, ihre ansteckende Fröhlichkeit macht den Abend im Medienlabor erstaunlich leichtfüßig.

Aber zurück in Deutschland? Wohin mit den eigenen Erlebnissen nah an der Kampfzone? Wer aus dem privaten Umkreis will schon etwas vom Auslandseinsatz hören, beklagen sie einhellig. „Wie war´s denn so?“, die schlimmste aller desinteressierten Fragen. „Lass uns später mal genauer drüber reden“. Wie sie das verabscheuen, dieses „später“, das nie kommt. An diesem Abend haben wir den Kriegsreporterinnen zugehört.

***
Mehr Fotos, mehr Informationen, mehr über die Gäste des Medienlabors auf der Homepage des Journalistinnenbundes: www.journalistinnen.de

Kommentare

  1. Danke für diesen informativen Überblick des Abends. Mir gefiel dieser relaxte freundliche Umgang der Kolleginnen auf dem Podium ganz besonders. Da gabs kein Gegockel, wie wir es so oft auf männerdominierten Podien erleben.
    Loben möchte ich auch noch zwei Kolleginnen, die zuvor beim Fachgespräch des Gunda-Werner-Instituts zum Thema "Krieg im Fokus der Medien" berichteten. Judith Raupp arbeitet in Goma, im Osten des Kongo. Ihr fiel auf, dass Reporter, die mal kurz und schnell in dieses Krisengebiet einreisten, hinterher in auffallender Sprachlosigkeit gern von "unvorstellbarer Gewalt/ unvorstellbarem Leid" sprächen.
    Susanne Babila, vielfach ausgezeichnete und weitgereiste FS-Kollegin bei swr ("Im Schatten des Bösen") musste sich schon öfter von männlichen Kollegen fragen lassen, ob mit ihr alles in Ordnung sein, da sie sich solchem Leid aussetze.

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